Die mit Abstand allerbeste aller Ehefrauen hat mich heute ein bißchen ins Schwitzen gebracht, als sie mich fragte, weshalb sie nicht grundsätzlich Evernote statt Dropbox als Standard-Dateiablagesystem benutzen könne. Es sei doch praktisch das selbe, in beiden könne man Daten speichern und beides seien Cloud-Dienste. Aber natürlich wissen wir Spezialisten alle, wofür Evernote da ist und wofür Dropbox und wodurch sich die beiden unterscheiden.

Oder. Etwa. Nicht?

Also, falls jemand Schwierigkeiten hat, das zu erklären, hier mein Versuch:

 

Erst mal die Gemeinsamkeiten:

 

Beide Dienste sind Cloud-basierte Services. Beide bieten somit problemlose Synchronisation über Plattformen und Geräte hinweg, Browser-Zugang und dedizierte Apps. Das verführt den einen oder anderen zu der Annahme, die Dienste seine quasi austauschbar.

Nein, sind sie nicht. Man könnte es zwar bis zu einem gewissen Grad so betrachten und sie in die eine oder andere Richtung vergewaltigen, aber die Services sind doch für ganz unterschiedliche Zwecke konzipiert und bieten dementsprechend auch unterschiedliche Features und Funktionalitäten.

 

Nachfolgend die wesentlichen Unterschiede, so wie ich sie sehe:

 

Evernote

 

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Evernote kann man sich vorstellen wie ein lebenslang mitwachsendes Notizbuch – oder besser wie eine beliebig große Anzahl von Notizbüchern – in die man Dinge einträgt, wie man sie auch in klassische Notizbücher eintragen, einzeichnen, einheften, einkleben würde: Textschnipsel, Skizzen, Fotos, Erinnerungen. Die Möglichkeiten der digitalen Welt erweitern dieses klassische Sammelsurium noch um Dinge wie z. B. Sprachaufzeichnungen oder auch komplette Kopien von Webseiten.

Man kann mehrere Notizbücher auch zu Notizbuch-Stapeln zusammenfassen (z.B. zwei Notizbücher “New-York Trip” und “Mailand-Wochenende” zu einem Stapel “Reisen”); allerdings ist hier nur ein einstufige Hierarchie möglich, anders als man das bei beliebig tief schachtelbaren Ordnern üblicher Dateisysteme gewohnt ist. Solche Stapel werden in den Evernote Apps (ab Version 5) optisch schön durch eine Banderole symbolisiert:

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Wenn man auf einen solchen Stapel klickt, sieht man die einzelnen darin enthaltenen Notizbücher.

Man kann Notizen in beliebige Notizbücher einsortieren (ja, ganz so, wie man auch “normale” Dateien in beliebige “normale” Ordner einsortieren kann); darüber hinaus kann man sie auch noch mit beliebigen Etiketten (sog. “tags”) versehen und sie so noch besser nach individuellen Bedürfnissen strukturieren.

Zwar kann man auch “echte” Dateien an Evernote-Notizen anhängen, wie etwa Excel-, Pages-, Keynote-, Photoshop-Files und viele andere, selbstredend auch alle relevanten Bildformate. Aber diese Fähigkeit macht deshalb noch lange kein Dateisystem aus Evernote!

Ein besonderes Feature von Evernote ist die Schrifterkennung: In Evernote-Notizen kann man praktisch alles nach Wörtern durchsuchen: also nicht nur Text- und PDF-Dokumente, sondern sogar Bilder! Und das funktioniert sogar ausgesprochen gut.

Der gern verwendete Begriff “Notizen” ist übrigens vielleicht etwas irreführend, weil zu eingeschränkt, ist aber sinnvoll, weil damit klar gestellt wird, dass sich Evernote-Notizen deutlich von Dateien im klassischen Sinn unterscheiden.

Ganz weit gefasst würde ich sagen, dass Evernote für die eher langfristige Speicherung aller möglichen Arten von erinnerungswürdigen Informationen gemacht ist, auf die man von überall her zugreifen kann.

 

Dropbox

 

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In Dropbox geht es um völlig “normale” Ordner, die man so tief hierarchisieren kann wie man mag, und um völlig “normale” Dateien, die mit den gewohnten Programmen geöffnet, bearbeitet und gespeichert werden. Mit dem zusätzlichen Nutzen der Cloud, also dass man von praktisch überall aus und mit praktisch jedem elektronischen Gerät darauf zugreifen und Dateien auch problemlos mit anderen teilen kann.

Dropbox ist also eigentlich nichts anderes als eine Art “externe Festplatte  in der Wolke”. Man kann damit ganz genau so umgehen, wie man das seit Jahrhunderten mit jedem elektronischen Dateisystem gewohnt ist.

 

Fazit:

 

Evernote ist eine App, eine Anwendung – oder althochdeutsch: ein Programm. Man kann sich Evernote wirklich am besten vorstellen als ein Notizbuch, das man aufschlägt (startet), und in dem man dann unmittelbar durch seine Seiten, Dokumente, “Notizen”, blättern kann, die alle offen vor einem liegen.

Dropbox muss man sich dagegen  vorstellen wie ein Archiv, einen Aktenschrank. Wenn man den öffnet, findet man darin jede Menge Ordner und Dokumente, aber alle sind erst mal geschlossen. Man muss sie mit den geeigneten Programmen öffnen, um sie wieder bearbeiten, ändern und am Schluss wieder “zugeklappt” ablegen zu können.

Um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen: Es gibt also einen ganz wichtigen Gesichtspunkt, weshalb Evernote grundsätzlich *nicht* als normales Datei-Ablagesystem geeignet ist: Evernote ist eben eine Anwendung. Eine Anwendung kann schon mal von Haus aus niemals der richtige standardmäßige Speicherort zur Dateiablage seitens anderer Anwendungen sein. Außerdem: Eine Anwendung wird von einer Firma entwickelt. Die Entwicklung der Anwendung kann eingestellt werden, die Firma dahinter kann schließen oder Pleite gehen. Was passiert in dem Fall mit den Daten, die dann innerhalb eines proprietären Dateiformats gewissermaßen eingeschlossen sind? Dropbox dagegen ist einfach eine Erweiterung des Dateisystems in der Cloud. Wenn dieser Dienst mal eingestellt werden sollte, nimmt man einfach seinen Datenbestand und kopiert ihn z. B. auf seine lokale Festplatte, und arbeitet von dort aus weiter. Hierbei ist es auch unerheblich, welches Dateiformat oder Betriebssystem man nutzt.

 

Wir sprechen also über zwei völlig unterschiedliche Dinge mit ganz verschiedenen Einsatzbereichen.

 

Ich verwende beide sehr gerne. Bei Evernote bin ich sogar zahlender Premiumanwender, weil mir die Anwendung so viel Nutzen bringt, dass ich die Entwickler unterstützen möchte, obwohl mir eigentlich die kostenlosen Leistungen ausreichen würden. Dropbox nutze ich derzeit deutlich weniger, vor allem zum Austausch von Daten, also quasi als virtuellen USB-Stick. Missen möchte ich auch diesen Dienst nicht mehr.

 

Wer das Thema noch vertiefen möchte, bitteschön, hier sind ein paar Links zu anderen Menschen, die sich auch schon Gedanken darüber gemacht haben: